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Persönlich
Weiter unten finden Sie Blog-Beiträge des Triowerk-Gründers Christian Olbrich. Die Themen gehen wesentlich über das Spektrum von Triowerk hinaus, um die verschiedenen Perspektiven glaubhaft einnehmen zu können. Wenn Sie mögen, schreiben Sie ihm, was Ihre Perspektive zum jeweiligen Thema ausmacht: co@triowerk.de

Showroom-Office

Ein Büro soll hip sein und cool aussehen! Es muss jedoch auch die Arbeit im Fokus haben. Sonst werden die Menschen, die sie leisten, zu Showroom-Dummies.

Ein Büro-Update gefällig?
Andere Büros sind hübscher als Ihres, na und? Letztendlich müssen die Prozesse laufen und gerade im produzierenden Gewerbe wird das Geld ohnehin nicht im Büro verdient. Meinen Sie…? Wissensarbeit steuert, kreiert, prüft, konzipiert. Finden sich für freie Stellen keine Bewerber und auch langjährige Mitarbeiter fühlen sich nicht mehr ans Unternehmen gebunden, wiegt das schon schwer. Aber liegt das an einem unattraktiven Büro? Allein vielleicht nicht. Das Employer Branding umfasst viele Faktoren: öffentliche Haltung, ethisch und ökologisch korrekte Produkte aber auch attraktive Arbeitsstrukturen. New Work, Office 4.0, Agile Office oder ähnlich heißen moderne Arbeitskonzepte. Vielleicht hieß Ihres damals auch Future Office, aber wie viele Jahre ist das her? Gerade wo der Abschwung wieder einmal herbei geredet wird, muss Arbeit bestmöglich unterstützt werden, sonst, ja sonst wird es möglicherweise schwierig. Aber einfach etwas kopieren, auf der Welle mitschwimmen? Ein Update reicht vielleicht nicht, je nach Umfang der Veränderungen wird es eher ein neues Release oder gar etwas ganz Neues.

Womit beginnen?
Wenn Sie jetzt ein Büroprojekt starten, machen Sie es richtig. Nicht weil es möglicherweise ein guter Moment ist, etwas zu tun. Nein, ich meine, verschenken Sie keine Performance, wenn Sie in Arbeitsstrukturen eingreifen. Machen Sie keine halben Sachen! Gerne darf es hip und cool werden, aber ein Bürokonzept ist ein Arbeitskonzept. Und das beginnt nicht bei den Möbeln und der Innenarchitektur, nein, es endet dort. Ein Bürokonzept beginnt bei den Arbeitsinhalten, den Prozessen. Je nach Unternehmensgröße und Reichweite des Projekts können Sie auch noch weiter vorn beginnen: beim Sinn. Was tun wir, wofür tun wir es, mit welcher Haltung tun wir es für wen und welche Mehrwerte erzielen wir? Sie wollten nicht neu gründen und auch nicht das Unternehmen neu erfinden? Müssen Sie auch nicht. Es ist mir wichtig, Ihnen zu vermitteln, dass motivierte Mitarbeiter in hübsch anzusehenden Büros ihre Ursache viel weiter vorn im Prozess haben, als beim Raum und dem darin befindlichen Mobiliar.

Was ist das Büro?
Sind es Pflanzenwände, die mit frischem Grün Arbeitsplatzbereiche voneinander trennen, sind es Stehleuchten mit ergonomischem Tageslichtspektrum oder ist es das riesige Curved-Display auf dem Steh-Sitz-Arbeitstisch? Ist es die Kaffee-Bar mit Barista und kostenlosen Erfrischungsgetränken, die Lounge mit Chesterfield-Sofa, der Besprechungsraum mit interaktiver Videowand oder die Dachterrasse mit Grillstation und Beach-Volleyball-Feld? Der Obstkorb, die Sitzsäcke, der Kicker und das Rennrad an der Wand sind es jedenfalls nicht, da sind wir uns doch einig.
Für das alles gibt es die Kreditkarte, wie es in der Werbung formuliert wurde. Sie können es für Ihr Unternehmen kaufen, wenn Ihr Budget stimmt. Was war noch mal das andere, was man nicht kaufen kann? Fairness, Freundschaft, Fehlerkultur, Führung, Freiheit, Feedback, Förderung, Freude bei der Arbeit – für all das müssen Sie früher ins Projekt einsteigen, lange bevor Sie über Raum und Mobiliar nachdenken. Überspringen Sie diesen Schritt, schaffen Sie einen Showroom. Mit dem schaffen Sie es möglicherweise sogar in Architekturzeitschriften, auf entsprechende Internetseiten oder erhalten viel Bewunderung auf Instagram. Ob die Bewunderer die Mitarbeiter sind, die in diesen Büros arbeiten, darf jedoch bezweifelt werden.

Büroprojekte sind Organisationsentwicklung
Ein guter erster Schritt ist sich Klarheit darüber zu verschaffen, an welcher Stelle das Projekt einsteigen soll. Das ist meist dem Top-Management selbst nicht klar. Deshalb ist ein Strategie-Workshop unerlässlich. In ihm werden meist mehr Fragen gestellt, als beantwortet werden, und das ist richtig so. Denn nicht alle Informationen, die für ein zu erstellendes Arbeits- und Bürokonzept erforderlich sind, müssen direktiv entschieden werden. Gerade im operativen Bereich ist eine Beteiligung der Mitarbeitenden hilfreich. Sowohl für die Entwicklung von zukunftsfähigen Lösungen als auch für deren Einbindung und Beteiligung in den Veränderungsprozess. Das Management definiert die strategischen Leitlinien. Es legt den Sektor fest, in dem Informationen erhoben und Lösungen entwickelt werden. Und damit auch, was unangetastet bleibt oder als strategische Vorgabe gesetzt ist. Das bedeutet keineswegs, dass strategische Vorgaben schon vorhanden sein müssen. Sie im Projekt in einem ersten Schritt zu entwickeln, kann im Top Management wichtige Erkenntnisse hervor bringen, die das Projekt nachhaltig prägen.

Anders arbeiten - aber wie genau?
Kommen wir zum Arbeitsalltag. Wie werden Ihre Mitarbeitenden in Zukunft arbeiten? Die Medien sind voll von Informationen zu New Work, Arbeit 4.0 und Agilität, sodass ein Filtern sinnvoller Ansätze zunehmend schwerfällt. Was das Finden einer passenden Lösung einerseits komplex zu machen scheint, ist andererseits gut, denn das Übernehmen fertiger Konzepte anderer Organisationen ist selten ein empfehlenswertes Vorgehen. Wie aber können neue Arbeitsstrukturen die bisherigen ablösen? Wie erfahren wir, ob das Neue für unsere eigene Organisation einen Mehrwert birgt? Und wie genau würde das Neue funktionieren?
Eine Veränderung des Arbeits- und Bürokonzepts ist eine hervorragende Grundlage, eine neue Arbeitsorganisation einzuführen und gleich mit passenden Raumstrukturen, geeigneter Infrastruktur, Endgeräten und Software zu unterstützen. Doch der Auslöser sollte die Arbeitsorganisation sein. Bevor nicht klar definiert ist, wie zukünftig gearbeitet wird, welche Anforderungen an Führung, Ziele, Feedback, Zusammenarbeit, Vertraulichkeit, räumliche und zeitliche Autonomie gerichtet werden, gibt es keine Grundlage für eine Gestaltung von Räume und das Anordnen von Mobiliar.

Adaptiv und Permanent Beta
New Work bringt nicht nur innovative Arbeitsstrukturen mit sich. Damit einher geht ein Wandel der Denk- und Handlungslogiken, des Mindset. Wir suchen nicht mehr den Kunden, der unser Produkt oder unsere Leistung braucht, wir fragen, was potenzielle Kunden brauchen, um unser Angebot danach auszurichten. Früher haben wir Mitarbeiter mit definierten Qualifikationen für Stellen gesucht, die in den festgelegten Prozessen zu besetzen waren. Heute beginnen wir nach Personen für unsere Unternehmen zu suchen, die gut dazu passen und überlegen dann, wie wir sie einsetzen. Damit untrennbar verbunden ist eine hohe Sensitivität für die Bedürfnisse anderer Personen, seine es Kunden oder Mitarbeitende. Drahtlose Netze und mobile Endgeräte geben uns enorme Freiheiten, unsere Arbeit zu gestalten, nicht nur räumlich, auch zeitlich. Adaptive Räume mit handlichen, modularen Möbeln ermöglichen uns die Anpassung unserer Arbeitsbedingungen an die Anforderungen unserer Arbeit. Eben noch in Stille und hochkonzentriert in Alleinarbeit und nun interaktiv mit Kollegen an gemeinsamen Inhalten – und das im selben Raum! Mitarbeitende steuern sich selbst, ihre Arbeit, ihr Team und ihre Umgebung. „Bei uns machen wir das so“ verschwindet, das Unstete wird Unternehmenskultur: Permanent Beta. Auch uns selbst müssen wir besser kennenlernen, um mit neuen Möglichkeiten und Freiheiten sinnvoll umgehen zu können.

Was vom Büro übrig blieb
Jetzt mal durchatmen… Das klassische Büro ist nicht tot. Und was „klassisch“ bedeutet und was „progressiv“, entscheidet jeder individuell. Die Ernst & Young-Studentenstudie 2018 weist als beliebteste Branche der Absolventen den Öffentlichen Dienst aus. Andererseits begegnen uns hohe Zahlen bärtiger, Mützen tragender Programmierer und locker gekleidete kreative Gründer. Übrig vom Büro bleibt, was wir daraus machen: Vielfalt.
Sind schon Flächen da? Sind schon Mitarbeiter da? Sind schon Produkte da? Sind schon Organisationsstrukturen da? Welche Erfahrungen haben wir mit vorhandenen Strukturen gesammelt? Was wollen wir beibehalten, was könnten wir aufgeben? Was hat sich bewährt, was immer nur Ärger gemacht? Was darf auf keinen Fall passieren, was würden wir aufs Spiel setzen?
Beginnen wir auf diese Weise, im Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden über unser nächstes Büro nachzudenken, gewinnen wir nach und nach eine gute Vorstellung von dem, was unser Büro ausmacht – noch besser: zukünftig ausmachen soll. Das umfasst in hohem Maße organisatorische und zwischenmenschliche Komponenten, Glaubenssätze, Denk- und Handlungslogiken, Führung und Zusammenarbeit. Wird uns das bewusst, können wir zur Hardware kommen, zum Gebäude, der Innenarchitektur, dem Mobiliar und Beleuchtung…

Interaktiv planen, inspiriert arbeiten
In Räumen bilden wir schlussendlich mit all den gestalterischen Möglichkeiten und Facetten das ab, was wir zuvor als Soll-Struktur unserer Arbeit definiert haben. Doch sparen wir uns die Überlegungen, wie und was Arbeit in unserem Unternehmen sein soll, sind Gebäude, Innenarchitektur, Mobiliar und Beleuchtung nur eine schicke Hülle, die kaum in der Lage sein wird zu unterstützen, was zeitgemäße Wissensarbeit erfordert. Ein Büroprojekt, das glaubwürdig Mitarbeiter als Fachspezialisten für ihre Arbeit und ihr Unternehmen in den Konzeptions- und Planungsprozess einbezieht, leistet einen wertvollen Dienst für eine vertrauensvolle kooperative und interaktive zukünftige Arbeit. Der ehrliche Dialog auf Augenhöhe, in den Sie im Konzeptions- und Planungsprozess mit Ihren Mitarbeitern investieren, spart Ihnen bei der Einführung einen großen Teil des Kommunikationsaufwands. Ein vertrauensvoller Konzeptions- und Planungsprozess ist besonders dann essenziell, wenn organisatorische Veränderungen wie agiles Arbeiten eingeführt werden sollen. Vermitteln Sie bereits im Entstehungsprozess des Büros ein Bild der zukünftigen Organisation.

Wesentliche Schritte in der richtigen Reihenfolge
Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich mag gut gestaltete Büros als Orte, in denen ich mich wohlfühle und wohin ich gerne komme. Sie müssen aber vor allem zum Arbeiten taugen. In diese Arbeit sollten Sie ausreichend Gedanken investieren, sonst fühlen sich später nur die Fachjournalisten der Architekturbranche wohl.
Zehn Schritte, die Sie in der richtigen Reihenfolge gehen sollten:

  1. Klären Sie, was genau Auslöser und Ziele sind – wollen Sie das Flächenangebot aufstocken und dabei die alten Möbel austauschen oder soll damit auch gleich eine neue Organisationsform eingeführt werden?
  2. Definieren Sie, wie tief Sie dafür schauen müssen, um ein glaubwürdiges Ergebnis erzielen zu können – Ihre Unternehmenskultur ändern Sie nun mal nicht auf der operativen Ebene…
  3. Erlauben Sie der Belegschaft, für sich ein Bild des zukünftigen Arbeitens zu entwickeln und unterstützen Sie einen offenen Dialog hierüber.
  4. Entwickeln Sie auf dieser Grundlage im Top Management eine plausible Vision und leiten Sie davon strategische Leitlinien für das Projekt ab.
  5. Wollen Sie Grundlegendes verändern, Beispielsweise die Organisationskultur oder Organisationsstrukturen, sollten Sie das anstoßen, bevor Sie über konkrete Arbeitsanforderungen nachdenken und diesem Schritt ausreichend Zeit einräumen.
  6. Setzen Sie eine sorgfältige Anforderungsanalyse auf und entwickeln Sie den Bedarf auf Basis der zukünftigen Arbeitsstrukturen. Erlauben Sie dem Projekt einen sukzessiven Abgleich mit den zuvor festgelegten kulturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen und ein ggf. erforderliches Nachjustieren.
  7. Erstellen Sie ein Arbeitskonzept und fassen Sie alle Erkenntnisse, Festlegungen und Anforderungen in einem Lastenheft oder einem Raum- und Funktionsprogramm zusammen, sie werden es noch häufiger brauchen.
  8. Hieraus ergibt sich, welchen räumlichen Rahmen die zukünftige Arbeit erfordert. Erstellen Sie eine Bewertungsmatrix, in der Sie die Erfüllung Ihrer wesentlichen Anforderungen priorisiert Gegenüberstellen. Nur so erkennen Sie, welche Kompromisse Sie gegebenenfalls eingehen.
  9. Haben Sie Flächen ausgewählt, übertragen Sie Ihr Arbeitskonzept mit allen Varianten für unterschiedliche Arbeitstypen auf die Gebäudestrukturen und stimmen Sie die Layouts mit den Nutzern ab.
  10. Lassen Sie sich von erfahrenen Gestaltern bei der Umsetzung Ihres Konzepts begleiten. Gute Lösungen, die gleichermaßen ästhetischen und funktionalen Anforderungen gerecht werden, erfordern Erfahrung. Das sollte Ihr Budget hergeben.

Der Autor, Christian Olbrich, freut sich über Kommentare und Reaktionen: co@triowerk.de

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