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Persönlich
Weiter unten finden Sie Blog-Beiträge des Triowerk-Gründers Christian Olbrich. Die Themen gehen wesentlich über das Spektrum von Triowerk hinaus, um die verschiedenen Perspektiven glaubhaft einnehmen zu können. Wenn Sie mögen, schreiben Sie ihm, was Ihre Perspektive zum jeweiligen Thema ausmacht: co@triowerk.de

Das mach' ich mit links

Hin und wieder etwas mit der ungewohnten Hand zu machen, trainiert die Offenheit für Neues und damit die Innovationsfähigkeit

Kurzgefasst
Alter Hut, linke Hirnhälfte, rechte Hirnhälfte usw. - stimmt! Mit der Digitalisierung kommt jedoch ein neuer Blickwinkel hinzu: die Entwicklung eines postkonventionellen Mindsets. Bahnbrechende Innovationen sind oft der Ausdruck eines neuen Zusammenspiels bekannter Bestandteile. Die „Zutaten“ waren vertraut, aber durch einen veränderten Blickwinkel wurde erkennbar, was vorher unsichtbar blieb. Für Innovation ist deshalb Offenheit für Neues, Fremdes oder Absurdes essenziell. Agile Methoden erfordern ebenfalls diese Offenheit, wollen wir in selbstgesteuerten Teams in einem konstruktiven Diskurs dauerhaft zusammenarbeiten.

Wie Sie Ihre Offenheit schulen können? Hinterfragen Sie regelmäßig die eigenen Routinen: Ihr Handeln, Denken, spontane Deutungen, Meinungsbildung, Geschmack. Gerade im Kontakt mit Menschen profitieren wir von einem reichen Schatz an Erfahrungen, die eine intuitive Einordnung ermöglichen. Sie fördern jedoch auch das „Schubladen-Denken“. Indem wir gewohnte Alltagstätigkeiten mit der ungewohnten Hand ausführen, kehren wir quasi zwangsweise zurück zu einer frischen, bewussten Betrachtung. Gelingt es uns, dann frisch und ohne Voreingenommenheit auf eine Situation zu blicken, können wir erstaunliche Facetten erkennen, die uns zunächst verborgen blieben. Unterbewusste Handlungen werden wieder detailliert wahrgenommen. Das eröffnet uns nicht nur neue Eindrücke, es schult auch den Blick für Neues und erhält unserem Gehirn die Plastizität.

Physio-logisch
Ich laufe regelmäßig. Ebenso regelmäßig habe ich leider Beschwerden in den Knien. Zweimal war eine Operation nicht zu vermeiden, anschließend folgten durch einen Physiotherapeuten Mobilisierung und Muskelaufbau sowie Tipps und Übungen für Zuhause. Ein toller Tipp war, „Machen Sie öfters mal was mit der linken Hand, was Sie sonst mit rechts machen“. Logisch, dachte ich, weil mein gesamter Muskelapparat des Rechtshänders ganz schön rechtslastig ist. Als Einstieg habe ich mir damals verordnet, unsere handbetriebene Espresso-Mühle mit der linken Hand zu kurbeln, und das tue ich bis heute.

Großhirn an Bizeps
„Hoppla!“, schien mein Gehirn damals zu sagen, „Was geht den hier ab?!“ Die ersten Runden mit der linken Hand an der Kurbel waren ganz schön eckig. Die Mühle, wie gewohnt zwischen die Oberschenkel geklemmt, schwankte so sehr, dass ich keine runde Bewegung hinbekam. Der Einsatz der nötigen Muskelpartien war völlig unkoordiniert. Es dauerte einige Tage, bis ein wenig Routine in den Bewegungsablauf kam. Vom Lernerfolg angetan, versuchte ich mich dann am ebenfalls handbetriebenen Milchschäumer. Das Erlebnis war vergleichbar: Zuerst war mir das lineare Auf- und Ab des Schäumeinsatzes als Bewegung mit dem linken Arm völlig fremd. Der Krafteinsatz ließ sich nur mühevoll steuern, mehrmals drohte der Schäumer umzukippen. Doch schon nach wenigen Tagen wurde die Bewegung routinierter. Heute sind rechte und linke Hand gleichermaßen in der Lage, einen schönen, festen Schaum zu erzeugen. Was war passiert?

Lernen mit Körper und Geist
Asics - „Anima Sana In Corpore Sano“, bedeutet auf Deutsch so viel wie „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“. Dass Körper und Geist zusammenwirken, ist jedem klar. In unserem Selbstversuch, gewöhnliche Abläufe des täglichen Lebens mit der anderen Hand auszuführen, erkennen wir, welchen Anteil das Gehirn an diesen Abläufen hat. Das Kurbeln an der Mühle oder das Auf und Ab am Schäumer finden ihren Ursprung im motorischen Cortex. „Hier entspringen also Nervenzellfortsätze, die ohne Unterbrechung durch den Hirnstamm und weiter bis ins Rückenmark ziehen, um von dort dann über so genannte Motoneurone Befehle an die Muskulatur weiterzugeben“. (Quelle: www.dasgehirn.info) Damit die Signale des Gehirns zielgerichtet die Muskulatur steuern können, müssen die erforderlichen Bewegungsabläufe gelernt werden. Und, na klar, das Lernen passiert im Gehirn und nicht in der Muskulatur.

Raus aus der Routine!
Der Neurobiologe Lawrence C. Katz nannte sein Gehirntraining „Neurobics“. (www.experto.de/praxistipps/gehirntraining-7-uebungen-dank-derer-sie-dauerhaft-lernfaehiger-werden.html) Sein Motto: Doing things differently. Hin und wieder Dinge bewusst anders zu machen, trainiert unsere Wahrnehmung und unseren Geist. Die westliche Gesellschaft droht in ihrer Entwicklung hängenzubleiben, in ihrem Drang nach Wachstum und Effizienz. Bewährte Prozesse und Routinen, niedergeschrieben nach DIN EN ISO-Normen, bestimmen noch eine Vielzahl der Unternehmensstrategien. Doch mit der Digitalisierung drücken zunehmend Informationen, Anforderungen und Fragen „realtime“ in unseren Arbeitsalltag. Hier verlangen sie umgehend Reaktionen, Lösungen und Antworten. Hier – also bei uns. Vielleicht waren Sie bereits in dieser Situation und mussten erkennen, dass die definierten Prozesse allein nicht reichten. Denn was als Aufgabe bei uns ankommt, erfordert immer häufiger neuartige und nutzerspezifische Lösungen. Agile Methoden geben uns Strukturen an die Hand, uns von unserer statischen Vergangenheit zu lösen. Aber sind wir spontan in der Lage diese Transformation zu vollziehen? In Ihrem Buch „Das agile Mindset“ (Springer Fachmedien, 2018) liefert Svenja Hofert eine umfangreiche Begründung, weshalb Mitarbeitende durch Lernen nicht in die Lage zu versetzen sind, die Mehrwerte agilen Arbeitens für sich nutzbar zu machen. Fortentwicklung des Ich hin zu postkonformem Denken und Handeln ist erforderlich. In einem agilen Team, das sich selbst steuern soll, müssen die Teammitglieder Reife und Offenheit mitbringen, auf deren Basis ein interessierter, kritischer Diskurs ohne Abnutzungserscheinungen immer wieder möglich ist.

Mac, Windows oder Linux
Warum tragen wir einen Vollbart oder sind glattrasiert? Warum muss es Android oder ein IPhone sein? Warum liegt unsere Küche im neuen Haus offen im Wohnbereich? Warum präferieren wir eine Siebträger-Maschine oder einen Alukapsel-Vollautomat? Kennen Sie Ihre Antworten nicht nur oberflächlich sondern in der Tiefe? Wie tief sind Sie bereit zu blicken? Wo kommen all die Automatismen her, die uns charakterisieren und während des Tages begleiten, ohne von uns hinterfragt zu werden? Um uns herum sind wir täglich mit tausenden Menschen in Kontakt. Mit vielen flüchtig und kaum wahrgenommen, mit einzelnen bewusst und intensiv. Sind Sie bereit, zu erforschen, warum andere nicht dieselben Antworten geben wie Sie selbst? Möchten Sie deren Blickwinkel kennenlernen? Spontan könnte die Antwort lauten „Nein, ich muss ja nicht jeden verstehen, es gibt doch genügend Menschen, die ähnlich denken wie ich". Der Psychologe Daniel Kahneman, Nobelpreisträger 2002, unterschied zwischen schnellem und langsamem Denken. Schnelles Denken sucht nach einer Bestätigung der eigenen Standpunkte, während langsames Denken nach deren Widerlegung strebt. Welche Ziele lassen sich mit welchem der beiden Systeme erreichen?

10 Erfahrungen mit links
Erlauben Sie sich hin und wieder eine Pause von Ihren Routinen und schauen Sie genauer hin, wie Sie etwas machen. Tun Sie es aus Freude am Entdecken testweise mit Ihrer schwachen Hand, bei mir ist das die linke.

  1. Meine Erfahrungen mit der handbetriebenen Kaffeemühle finden Sie oben im Absatz "Großhirn an Bizeps".
  2. Gleiches gilt für den Milchschäumer.
  3. Schrauben hinein- oder herausdrehen, geht bei mir gut mit links, solange nicht viel Kraft erforderlich ist.
  4. Einen Nagel mit links in die Wand zu schlagen, war für mich komplexer als erwartet.
  5. Messer und Gabel zu tauschen, ist eine gute Übung.
  6. Wie viel Konzentration erfordert mit links die Eingabe der PIN beim Bezahlen? Erstaunlich...
  7. Bügeln mit links ist reine Nervensache, ein Grund mehr, es zu lassen.
  8. Autofahren mit Rechtssteuer haben bestimmt einige schon getan - das Schalten macht den Unterschied...
  9. Ziemlich schwer fällt mir das Schreiben oder Zeichnen mit links.
  10. Eine echte Herausforderung ist für mich auch Zähneputzen mit der linken Hand. Wenn Sie wie ich noch eine klassische Handzahnbürste benutzen, werden Sie an den kleinen dreidimensionalen Bewegungen eine Zeitlang zu üben haben.

Eine komplette Anleitung beidhändig zu werden, hält wikiHow für uns bereit (https://de.wikihow.com/Linkshänder-werden). Natürlich gilt in jedem Fall, seien Sie nachsichtig mit sich und erfreuen Sie sich an Ihren Erfahrungen.

Falls Sie Ihre Erfahrungen mit mir teilen möchten oder einen Tipp für mich haben, schreiben Sie mir gerne ein paar Zeilen an co@triowerk.de

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