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Persönlich
Weiter unten finden Sie Blog-Beiträge des Triowerk-Gründers Christian Olbrich. Die Themen gehen wesentlich über das Spektrum von Triowerk hinaus, um die verschiedenen Perspektiven glaubhaft einnehmen zu können. Wenn Sie mögen, schreiben Sie ihm, was Ihre Perspektive zum jeweiligen Thema ausmacht: co@triowerk.de

Akustikprobleme im Büro lösen

Zu laut im Büro? Bemängeln Mitarbeiter die Raumakustik, steckt oft ganz anderer Unmut dahinter.

...einfach zu laut?
In diesem Punkt unterscheiden sich einfache Arbeitnehmer kaum von ihren Führungskräften: Sie wollen ihre Arbeit gut machen, wünschen sich dafür Unterstützung aus ihrem Team und Förderung durch das Unternehmen. Sie erwarten die nötigen Werkzeuge, eine klare Kommunikation und eine angenehme Atmosphäre. Eine gut gestaltete Büroarbeitsumgebung kann wesentlich dazu beitragen, dass uns unsere Arbeit mühelos gelingt, sie qualitativ hochwertig ist und wir dabei Freude empfinden. Dieses Glücksempfinden verspüren wir jedoch nicht stetig, manche von uns sogar eher selten.

Alarmsignal Raumakustik
Der Gallup Engagement Index ist inzwischen berüchtigt. In seiner Ausgabe 2018 weist er aus, gerademal 15 Prozent der Beschäftigten verspüren eine hochgradig emotionale Bindung an den eigenen Arbeitgeber. 71 Prozent empfinden eine geringe, 14 Prozent keine emotionale Bindung. Die Defizite sind komplex. Führung, Organisationskultur oder Unternehmensimage sind nicht per Geschäftsführungsentscheidung über Nacht zu ändern. Unternehmen und Organisationen sollten jedoch hellhörig werden, wenn in gut performenden Teams Kritik an der Raumakustik geäußert wird. Ausgerechnet die Raumakustik soll Indikator für Probleme sein?

Zusammenarbeit erzeugt Lärmemissionen
Bereits kurz nach der Jahrtausendwende setzte sich in der Arbeitsorganisation die Erkenntnis durch, dass durch intensiven Austausch von Spezialisten in Teams bessere Ergebnisse erzielt werden als durch Einzelkämpfer. Um die Spezialisten im Team miteinander in Kontakt zu bringen, werden in modernen Büroarbeitsumgebungen, vereinfacht gesagt, statt kleinen Büroräumen große geplant. Transparenz schafft Raumstrukturen, die die Sichtbarkeit der Mitarbeitenden auf der Fläche zur Folge haben. Was aber, wenn die hoch qualifizierten Spezialisten hin und wieder eine Stunde allein in Ruhe über einem Thema brüten wollen? Gibt es in offenen, transparenten Büroarbeitsumgebungen keine Möglichkeit, sich zur hochkonzentrierten Einzelarbeit zurückzuziehen, steigt die Reizbarkeit der Betroffenen oft drastisch. In Großraumbüros, populär „Open Space“ genannt (englisch „Open Plan“), arbeiten 20 oder mehr Personen auf einer zusammenhängenden Fläche. Da liegt der Verdacht nahe, dass der Lärmpegel hoch ist. Dies wird durch gestresste Mitarbeiter so auch kundgetan: „Es ist zu laut hier, ich kann mich nicht konzentrieren.“ Die Wirklichkeit ist jedoch weitaus komplexer.

„So kann ich nicht arbeiten“
Seit Jahrzehnten wird an der Raumakustik in Büros geforscht. Um es kurzzumachen: Es ist nicht allein die messbare Lautstärke, die uns ablenkt. Unsere Wahrnehmung funktioniert anders und bei verschiedenen Persönlichkeitstypen unterschiedlich. Sicher können wir sagen, in unserem uns Gestört-fühlen bewerten wir eine Gesamtheit von Sinneseindrücken, die uns durch unsere Wahrnehmung präsentiert werden. Und die ist nicht nur subjektiv, sondern auch diffus. Weder trennen wir das hektische Treiben, das wir aus dem Augenwinkel wahrnehmen vom Geräuschpegel, noch blenden wir aus, was möglicherweise eben im Konfliktgespräch mit einem Kollegen in uns nachhallt. Wir sind uns jedoch ziemlich sicher, es ist zu laut hier. „So kann ich nicht arbeiten!“

Vielfalt der Sinnesreizungen
Was als Sinnesreizungen bei uns ankommt, wird im Gehirn verarbeitet; vieles davon autonom im vegetativen Nervensystem. Ohne unser bewusstes Zutun werden beispielsweise Atmung, Herztätigkeit, Körpertemperatur und Verdauung gesteuert. Auch alle menschlichen Emotionen wie Angst oder Wut werden von Veränderungen im vegetativen Nervensystem begleitet (Stangl, 2019). Werden wir uns eines „emotionalen Notstands“ bewusst, versuchen wir ihn zu regulieren. Das gelingt uns zwar nicht unmittelbar, wir können jedoch beispielsweise die Umgebungsvariablen beeinflussen. Tief zu atmen, uns zu entspannen, in eine reizarme, also eine von emotional belastenden Reizen freie Umgebung zu wechseln, steht uns offen. „Es ist zu laut“ ist ein etwas pauschal formulierter Ausdruck der Erkenntnis, ich muss etwas tun, um mein Reizniveau zu senken.

Fallbeispiel Steuerberatung
In einer großen, partnergeführten Steuerkanzlei sitzen die Berater in komfortablen Einzelbüros entlang der Fassade des Gebäudes. Die Arbeitsplätze von Buchhaltern und Assistenzen sind im offenen Innenbereich mit eingeschränktem Blickfeld nach draußen angeordnet. Letztgenannte bemängeln, dass die Raumakustik nicht gut sei und sie sich schlecht konzentrieren könnten.
Während einer Begehung der Flächen werden keine raumakustischen Probleme wahrgenommen. Die Nachhallzeiten sind unauffällig, es herrscht konzentrierte Stille. Hin und wieder fliegt schwungvoll eine Tür der Einzelbüros auf. Ein Berater wechselt dann einige Worte mit einer Assistenz oder einem Buchhalter und verschwindet wieder in seinem Büro, dessen Tür er ebenso schwungvoll schließt. Ein Ansprechpartner des Facility Managements bestätigt, dass die Zuordnung des Arbeitsplatzes uneingeschränkt der Wertschöpfung und der Wertschätzung der Funktionen entspreche: hochangesehene Berater in attraktiven Einzelbüros, Buchhalter und Assistenzen auf Restflächen im Open Space. In Interviews geben Buchhalter und Assistenzen an, dass sie stets erschrocken zusammenzuckten, wenn eine Beratertür auffliege. Einige fühlten sich beobachtet, weil ihre Arbeitsplätze mit dem Rücken zum Flur angeordnet seien. Darüber hinaus sei das Licht an den Arbeitsplätzen nicht ausreichend. Auch das Gefühl mangelnder Wertschätzung wurde zum Ausdruck gebracht.

Raumakustik – eine legitime Ursache für Proteste
In diesem Fall war die raumakustische Qualität der Fläche so gut, dass es in Verbindung mit einem überwiegenden Anteil konzentrierter Einzelarbeit sogar zu still war. Der wesentliche Mangel jedoch war das Gefälle in Ansehen und Rang der Mitarbeitenden. Dieses Beispiel zeigt, dass kulturelle Themen oft als Tabu gelten, Raumakustik als funktionaler Mangel hingegen eine Beschwerde legitimiert.

Verbessern der Konzentrationsfähigkeit im Open Space
Wollen Sie gute Büroarbeitsumgebungen schaffen, ist es sinnvoll, die Ursachen eines artikulierten Mangels an der Raumakustik aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Das Einhalten von Dezibel-Grenzwerten allein ist in keinem Fall zielführend. Ein Gespräch am Nachbartisch lenkt und mehr ab, als lautes Vogelgezwitscher, privater Kaffeeklatsch im Büro stört mehr, als ein Business-Telefonat. Hören und sehen in Kombination verstärken die wahrgenommene Ablenkung. Sensible introvertierte Mitarbeitende nehmen intensiver wahr und sind leichter zu stören als extrovertierte. Neuartige, in 3D-Druckern hergestellte Akustikabsorber, die 94 Prozent des Lärms neutralisieren sollen (t3m, 19.03.2019), können vor diesem Hintergrund vielleicht für Stille, aber kaum für eine störungsfreie Zukunft sorgen. Die Reize liegen zwar in unserer Umgebung, ihre Bewertung und die daraus resultierende Ablenkung schaffen wir uns ganz individuell. Was genau im Raum, im Team oder im Unternehmen nicht stimmt, ist deshalb nie nur eine Frage des Raums.

Zehn Tipps für freudvolleres Arbeiten in modernen Büroarbeitsumgebungen

  1. Lärm und Unruheherde (Drucker, Kaffeeküchen etc.) räumlich abtrennen von Arbeitsplatzbereichen
  2. Rückzugsmöglichkeiten schaffen (Think Tanks, Kleinbesprechungsräume etc.)
  3. Exponierte Arbeitsplätze vermeiden, deren Nutzer sich beobachtet fühlen können
  4. Demonstrativ hierarchische Büro-Layouts vermeiden
  5. Eine offene, einander zugewandte Gesprächskultur unterstützen
  6. Einen wertschätzenden Teamspirit pflegen
  7. Gemeinsam Spielregeln entwickeln, wie im Büroalltag gegenseitig Rücksicht genommen werden kann („Etikette“)
  8. Bei Neu- oder Umbauten einen Teil des Akustik-Budgets für Nachbesserungen zurückhalten
  9. Selbststeuerungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden unterstützen (flexible Arbeitszeiten und –orte, Individualisierung von Arbeitsplatzparametern, Wahlmöglichkeiten von Hard- und Software etc.)
  10. In non-territorialen Konzepten Bereiche für konzentrierte Einzelarbeit und kommunikative Arbeit im Team ausweisen
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