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Persönlich
Weiter unten finden Sie Blog-Beiträge des Triowerk-Gründers Christian Olbrich. Die Themen gehen wesentlich über das Spektrum von Triowerk hinaus, um die verschiedenen Perspektiven glaubhaft einnehmen zu können. Wenn Sie mögen, schreiben Sie ihm, was Ihre Perspektive zum jeweiligen Thema ausmacht: co@triowerk.de

Singletasking

Dies muss noch raus, das noch fertig werden und alles eilt – wenn viele Sachen gleichzeitig laufen, kommt es zwangsweise zu Verlusten. Doch es geht auch anders.

Eilt!
Frisch gebackener Metallfacharbeiter war ich Ende der 1980er-Jahre, wollte nach Abschluss meiner Lehrausbildung noch zwei Wochen im Betrieb jobben, Geld verdienen, bevor nach dem Sommer die Fachoberschule begann. Woran ich mich erinnere, sind die vielen Laufkarten mit dem roten Stempel „Eilt“. Ebenfalls erinnere ich mich an den Galgenhumor der Mitarbeitenden, denn welchen Auftrag soll man bevorzugt bearbeiten, wenn die Ausnahme zur Regel wird? Das Resultat damals war Gleichgültigkeit. Es wurde eben geschmunzelt und getan, was im üblichen Rahmen möglich war.

Multitasking – die „Mehrfachaufgabenperformanz“
Inzwischen war ich Studierender der Fachrichtung Industriedesign, damals durfte man noch "Student" sagen. Den Umstieg von der Schreibmaschine zum Personal Computer habe ich 1992 am eigenen Leibe mitvollzogen. Mit der wachsenden Popularität des PC in den 1990er-Jahren ist in meiner Wahrnehmung der Name MS-Windows untrennbar verbunden. Das neue Windows 95 bot etwas Geniales: Das Betriebssystem konnte mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeiten, Multitasking (Wikipedia, 2019-12-12). Genial war insbesondere die Wortneuschöpfung, versprach sie doch beliebiges Parallelisieren von Arbeitsschritten. Multitasking-Fähigkeit, ein Prädikat, das schon wenig später auch Personalreferenten als Qualifikation von Mitarbeitenden erwarteten.

Menschliches Multitasking – erst hip dann hype
Um die Jahrtausendwende war ich bereits groß im Geschäft als Berater für organisatorische Gebäudeplanung. Multitasking war so selbstverständlich, wie Kanzler Schröders Zigarre. Zumindest waren alle davon überzeugt, dass beides zur persönlichen Grundausstattung gehöre. Als USP schon ein bisschen abgegriffen, war Multitasking kurze Zeit später zumindest im „Bullshit-Bingo“ noch unverzichtbar. Die New Economy war bereits erkennbar aufgebläht, die NYSE und der Dax überhitzt. Was folgte, waren die Crashs der Börsen und des World Trade Centers. Ich fand mich kurzzeitig als arbeitssuchend am Rand der Erfolgsspur wieder, was jedoch nur drei Monate währte. Und im neuen Job? Klar, Vollgas wie bisher, dank Multitasking! Wenige Jahre später wollten Wissenschaftler herausgefunden haben, dass nur Frauen in der Lage seien, tatsächlich Arbeiten zu parallelisieren. Evidenz oder Fake?

Selbststeuerung
Und heute? Seit mehr als acht Jahren bin ich selbstständig und gefragt ist heute die Qualifikation der Selbststeuerung. Nicht nur bei mir, auch in Unternehmen. Sich auf eine Aufgabe fokussieren können, wenn mal wieder alles eilt… Sie haben noch keinen Kurs belegt? Der Begriff Selbststeuerung ist von der Psychologie geprägt: „Die Fähigkeit eines Menschen, das eigene Verhalten zu beobachten, zu bewerten, gezielt zu verstärken und an eigenen Zielen flexibel auszurichten.“ (Stangl, 2019, https://lexikon.stangl.eu/4921/selbststeuerung/; 2019-11-24). Für mich enthält diese Definition einen besonders wichtigen Input: Beobachte dich selbst! In meiner Wahrnehmung steht das in krassem Kontrast zum vielerorts erkennbaren Status, von der niemals versiegenden Arbeit getrieben zu sein. Eins nach dem anderen klingt einfach, ist aber in der Praxis ganz schön schwer. Steuern Sie sich doch einmal bewusst selbst, während eine Vielzahl von Anforderungen auf Sie einprasseln.

Die Routine des Auftauchens
Haben Sie die Sinnlosigkeit des Unterfangens erkannt, gegen die unendliche Reihe unerledigter Aufgaben anzuarbeiten, haben Sie bereits viel erreicht. Ich erinnere mich an Zeiten als angestellter Berater. Ein angenehmes Gefühl des Friedens stellte sich in mir ein, sobald ich mir eingestehen musste, dass ich die Vielzahl der parallelen Projekte nicht mehr im Griff hatte. Wenn weder durch (noch) längeres oder (noch) intensiveres Arbeiten sicherzustellen war, dass alles unter Kontrolle blieb, wich der Druck von mir. Ein ähnliches Gefühl kenne ich heute noch, wenn mich auf dem Weg zu einem wichtigen Termin ein undurchdringbarer Stau oder ein defekter ICE stoppt und irgendwann klar ist: Ich schaffe es nicht mehr pünktlich. Für alle, die noch versuchen, die nicht enden wollende Flut an Arbeitspaketen im Backlog einzudämmen, habe ich einen Tipp, für die langfristige Gesunderhaltung: Definieren Sie Routinen bedingungsloser Pausen und tauchen Sie auf!

Zäsuren während des Tages
Es geht nicht um Kaffee oder Mittagessen. Es geht um Zäsuren. Wenn sich Ihr Reminder meldet, schauen Sie sorgsam, wie es um Sie steht. Das ist Priorität eins. Wie geht es mir? Wie ist meine momentane Verfassung? Was brauche ich gerade? Was geht in mir vor? Dabei unterstützt Sie die Konzentration auf Ihren Atem. Nehmen Sie vier, fünf, sechs natürliche, tiefe Atemzüge und genießen Sie den Moment ohne Reue. Was meldet Ihnen Ihr Körper? Brauchen Sie etwas zu trinken, ein paar Schritte Bewegung? Sorgen Sie in diesem Momentfür sich. Sie holen die keineswegs verlore Zeit im Nu wieder auf. Ist alles ok, im Griff, in Balance? Dann können Sie sich Ihrer Umwelt zuwenden. Was machen Ihre Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzten? Widmen Sie ihnen einen zugewandten Blick, vielleicht braucht Sie jemand um aufzutauchen.

Gelassen produktiv arbeiten
Es spricht wirklich nichts gegen fleißiges, konzentriertes, hartes arbeiten. Aber muss sich arbeiten denn hart anfühlen um produktiv zu sein? Wie wird aus harter Arbeit freudvolles Tun? Nun kehren wir zurück zur Selbststeuerung. Im Moment des Innehaltens und bewussten Betrachtens des gegenwärtigen Augenblicks haben wir die Möglichkeit unser Handeln zu gestalten. Wir haben fast vergessen, dass Wirtschaft nicht auf Naturgesetzen beruht, sondern menschengemacht ist. Wir sind also in der Lage sie zu beeinflussen. Kennen Sie Ihren momentanen Auslastungsgrad? Nicht den nominellen, den Sie in irgendeinem Management-Tool Ihres Arbeitgebers führen. Ich meine Ihren subjektiven Auslastungsgrad. Können Sie noch? Wenn Sie an der Grenze sind, sprechen Sie aufrichtig mit Ihren „Auftraggebern“, auch mit denen, die nur mal schnell eine Auskunft brauchen… Eine ehrliche Einschätzung, klar und sachlich formuliert, schafft Transparenz für beide Seiten. Steuern Sie anstatt gesteuert zu werden.

Fokussiert sprechen und zuhören
Viel geredet, nichts gesagt, nicht richtig zugehört und letztendlich nichts verstanden? Das sind Momente vertaner Zeit. Beobachten Sie sich einmal in einem Gespräch. Gelingt es Ihnen, der Aussage Ihres Gesprächspartners zu folgen, während um Sie herum das Leben weitergeht? Hier öffnet sich eine Tür, da ein lautes Wort, ein Lachen, jemand quetscht sich vorbei oder möchte zuhören. Es ist ganz schön schwer, dann fokussiert zu bleiben. Üben Sie es, denn Sie verlieren einen Teil der Botschaft, wenn Sie unkonzentriert werden. Hören Sie aktiv zu, indem Sie immer wieder nachfragen? Auch hier bitte abwägen! Ahnen Sie schon, was der Gesprächspartner sagen will und hören gar nicht mehr richtig hin? Wer anstatt "aktiv" einfach "tief" zuhört, bleibt völlig bei den Worten des Sprechenden, gibt ihm die erforderliche Zeit, nimmt nichts vorweg, lenkt nicht subtil, gibt keine Ratschläge und spart sich auch den geistigen Parallelvortrag. „Hatte ich auch schon, kein Wunder, so musste es ja kommen, das hätte ich ganz anders gemacht…“, all das lenkt Sie nur von der Botschaft ab. Wenn Sie selbst sprechen, formulieren Sie bewusst, wählen Sie Worte, die für die Empfänger angenehm sind, selbst wenn die Botschaft schwierig zu verdauen ist. So bleiben Sie selbst konstruktiv und helfen Ihrer Mitwelt gelassen zu bleiben. Weniger Kontroversen sind weniger gebundene Gedankenleistung.

Das Gehirn ist nicht Multitasking-fähig
Mit wie vielen Bällen in der Luft jonglieren Sie im Alltag? Werden dem Gehirn verschiedene Aufgaben gleichzeitig gestellt, wendet es sich häppchenweise immer einer der Aufgaben zu. Ein kontinuierliches Abarbeiten paralleler Prozessstränge ist dies beim besten Willen nicht. Der Neurowissenschaftler Henning Beck beschreibt im Beitrag „Endlich Samstag“ auf Deutschlandfunk Nova (2018-07-07) Multitasking wie das Fernsehen von zwei Sendungen gleichzeitig. Es geht irgendwie, jedoch fehlen hinterher hier und da Informationen. "Wenn ich zwischen zwei Aufgaben hin- und herspringe, bekomme ich sie im besten Fall mit der Hälfte meiner Kraft hin. Aber es gibt immer Phasen, wo es schwarz ist im Gehirn und deswegen machen Menschen extrem viele Fehler, wenn sie zwischen vielen verschiedenen Aufgaben hin- und herspringen." Was für zwei Aufgaben begrenzter Komplexität und Kompliziertheit noch funktioniert, scheitert zunehmend mit steigender Anzahl der Aufgaben und deren Schwierigkeitsgrad.

10 Hilfen für die Fokussierung auf eine Sache
Bestimmt träumen Sie davon, sich nur eine Stunde mal auf eine Sache, konzentrieren zu können. Tun Sie es einfach, üben Sie es, das ist Teil der Selbststeuerung.

  1. Machen Sie sich zu allererst selbst verantwortlich für Ihre Aufgabenlast und ermächtigen Sie sich gleichzeitig, sie zu regulieren.
  2. Nehmen Sie für den gegenwärtigen Augenblick so viele Bälle aus Ihrer Jonglage, wie irgend möglich.
  3. Legen Sie eine ToDo-Liste an, aus der Aufwand und Termine hervorgehen. Kommunizieren Sie klar, was möglich ist und sagen Sie gegebenenfalls nein.
  4. Suchen Sie sich bei Bedarf einen Rückzugsraum und schotten Sie sich ab. Kein Smartphone, keine Email, kein Abschweifen der Gedanken…
  5. Springen Sie nicht unnötig zwischen Aufgaben. Machen Sie Gehirnspeicher frei, indem Sie Arbeitsgänge abschließen oder zu einem sinnvollen Zwischenstand bringen.
  6. Sortieren Sie Aufgaben aus, die Sie in der Priorität ständig nach hinten schieben.
  7. Machen Sie regelmäßig festgelegte Pausen. Lassen Sie sich durch Ihr Smartphone an sie erinnern und halten Sie sie ein, um Ihren Zustand und Ihre Bedürfnisse zu überprüfen.
  8. Kommunizieren Sie unangestrengt. Hören Sie tief zu und wählen Sie selbst angenehme Formulierungen.
  9. Machen Sie sich zur Routine, immer fünf, sechs tiefe Atemzüge zu nehmen, wenn Sie sich einer neuen Aufgabe widmen.
  10. Halten Sie inne, atmen Sie bewusst und lächeln Sie sich zu, wenn Sie sich beim Multitasking „ertappen“ (A-L-I: Atmen, Lächeln, Innehalten; Netzwerk Achtsame Wirtschaft https://achtsame-wirtschaft.de/a-l-i-achtsamkeitsglocken.html)
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